2. 3.

2. 3. definition einer vision *

 

„Imagination gibt Traeumen ihre Form.“

edgard var�se

 

„Wir muessten uns die Schaedeldecken aufbrechen und die Gedanken

einander aus den Hirnfasern zerren.“

aus Dantons Tod von Georg Buechner

 

 

„der visionaer wird erst geboren, wenn die vision bereits gestorben ist, so wie die vision ihr „dasein“ ohne visionaer verleben muss.“

meine eigene reflektion

 

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Duden, Fremdwoerterbuch: 4. Auflage, Bibliographisches Institut, Mannheim 1982

„Vision [wi…, lat.] die., -, -en: a) inneres Gesicht, Erscheinung vor dem geistigen Auge; b) optische Halluzination; c) in jmds. Vorstellung bes. in bezug auf die Zukunft entworfenes Bild. visionaer [lat.-nlat]: im Geiste geschaut; traumhaft; seherisch. Visionaer der; -s, -e: (veraltet) Geisterseher, Schwaermer“

 

 

Brockhaus Konversationslexikon: 14. ausgabe, F. A. Brockhaus in Leipzig,

Berlin und Wien.

1903.

„Vision (lat.), im weitern Sinne gleichbedeutend mit Gesichtshallucinaton (s. Gesichtstaeuschungen), d. h. einer sinnlich lebhaften (phantastischen) Gesichtswahrnehmung ohne entsprechendes aeusseres Objekt; im engern Sinne bedeutet V. Gesichtshallucinationen, die auf der Grundlage von Ideen (z. B. religioesen) entstehen, die ihren Traeger lebhaft beschaeftigen und sein Gemuet intensiv erregen. Man hat unzweckmaessigerweise die Bezeichnung V. auch auf Gehoers=, Geruchs=, u. v. m. Hallucinationen ausgedehnt, die sich im Anschluss an lebhafte Ideen, Gewissermassen als plastische Verdichtungen solcher entwickeln (<<psychische>> Hallucinationen mancher Autoren). Es gehoeren hierher auch die V., wie sie Swedenborg, Magus im Norden, Hamann, und besonders Justinus Kerner (in der << Seherin von Brevorst >>) beschrieben, Erzeugnisse einer lebhaften und krankhaft ueberreizten Phantasie.- Vgl.Knauer, Die V. im Lichte der Kulturgeschichte (Lpz. 1899).“

 

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Der Neue Brockhaus: 5. Auflage, F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1975.

„Visi’on [lat. visio „schau“] die, -/-en, Gesichtswahrnehmung, im allgemeinen lebhaft als Wirklichkeit empfundene anschauliche Vorstellung, der kein empirischer Gegenstand entspricht. V. treten haeufig in ekstatisch-relig. Zustaenden auf und sind oft mit Prophezeiungen verbunden. visio“aer, seherisch, traumhaft.“

 

 

Duden >>Sinn- und sachverwandte Woerter<<, 2. Auflage, hrsg. u. bearb. von Wolfgang Mueller Mannheim; Wien; Zuerich: Bibliographisches Institut,1986

Vision -> Einbildung

Visionaer -> Wahrsager

 

 

Lexikon der Psychologie: Prof. W. Arnold, Prof. H. J. Eysenck, Prof. R. Meili;

Verlag Herder im Breisbau 1972, 1980.

„Vision, ungesuchter oder gesuchter anblickartiger Eindruck, der nachhaltig wirkt und ohne Sinneswahrnehmung ablaeuft. Wer eine Vision hat, erlebt einen bildhaften Vorgang anders als bei abstrakten Vorstellungen, gleichsam „mit dem Auge des Geistes“. Die Vision muss keine Sinnestaeuschung sein; im Gegensatz zur Halluzination kann durchaus das Bewusstsein vom unterschied zur fassbaren Realitaet erhalten bleiben. Fuer die Psychol. sind die „Gesichte“ die in Religionen als goettliche Offenbarung, bei Alkoholismus und Drogensuechtigkeit sowie Rauschgiftkonsum sowie im Zusammenhang mit Psychosen auftreten, Ausdruck innerer Beduerfnisse und Konflikte.

In den Visionen gewinnen Regungen Gestalt, die sonst unbewusst bleiben. Aus Visionen entstehen Eingebungen bei Kuenstlern; oft sind V. den Traeumen nahe verwandt.“ W. Tisch

 

 

Woerterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie: Prof. Dr Uwe Hendrik Peters, Bechtermuenz Verlag im Weltbildverlag GmbH, Augsburg 1997

„Visionen (f, pl). Optische Halluzinationen meist im Zusammenhang mit religioes-ekstatischen erlebnissen. Es werden leuchtende Gestalten, Gott, Christus, Engel, Verstorbene, Blumen oder schreckhafte Fratzen, Teufel, wilde Tiere und dergleichen gesehen. Die Erscheinungen werden bald als

 

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uebersinnliche Wahrnehmungen, bald wieder als taeuschende Vorspiegelungen aufgefasst. Vorkommen vor allem im Fieberdelir und in anderen Delirformen (Kraepelein)“

 

 

Klinisches Woerterbuch: 260. Auflage, Walter de Gruyter GmbH & Co.KG, 2002

„Vision (lat. visio Sehen, Sicht)f: (engl.) visual hallucination; optische Halluzination mit vorwiegend religioesen Inhalten (z.B. als Marien- od. Christus-erscheinung); Vork.: u.a. beim Delir. Vlg. Sinnestaeuschung“

 

Das Bertelsmann Lexikon: Verlagshaus Stuttgart GmbH, Stuttgart 1996 A

„Vision [lat. >Schau<], in den Religionen aussergewoehnl. Wahrnehmung von meist uebersinnl. Phaenomenen (z.B. Gott, Engel, Verstorbene), verbunden haeufig mit -> Auditionen und Zustaenden seelischer Ergriffenheit, z.T. auch Folge- oder Begleiterscheinung von Askese oder Meditation. Die Abgrenzung gegenueber der -> Halluzination ist umstritten“

 

 

Zu diesen beschreibungen der „vision“ moechte ich hinzufuegen, dass vor allem technische und zur realitaet gewordene visionen bzw. visionaere wie z.B. da vinci, tesla, kurzweil u.v.m. keine erwaehnung finden, wobei (das) kuenstler (-ische) zumindest im „lexikon der psychologie“ allgemein erwaehnt werden. Ob sich eine spezifische beschreibung fuer „vision“ in techn. lexikas findet, muss noch ueberprueft werden (da sich die bisherige untersuchung auf allgeimene, medizinische und psychologische buecher beschraenkte). Obwohl es nicht sonderlich von bedeutung ist ob bzw. wo sich etwas darueber findet, da es unbestritten ist, dass es auch technisch/wissenschaftliche usw. visionaere gab/gibt, deren ergebnisse zb. zu lebzeiten unbekannt waren und viele jahrzehnte spaeter wiederentdeckt wurden, man sich ihrer bedeutung bewusst bzw. anwendbar wurde/n. Kurz in diesem zusammenhang, sei nur die auseinandersetzung von fourier und lamarck erwaehnt, wo vorerst der theorie von lamarck mehr glauben geschenkt wurde und fourier „leer ausging“. Vor allem jedoch eines ist, so glaube ich von bedeutung, das „fourier-theorem“ erlangte erst weit nach dessen tod seine grosse bedeutung und allgemeine anwendung, also kann man jedenfalls von einer visionaeren suche fourier“s sprechen (auch wenn sie in diesem fall, „ungewollt“ bedeutungsvoll wurde).

 

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Interessant ist natuerlich auch sehr die veraenderung des begriffes „vision“, natuerlich in bezug auf die bedeutung, die man ihr gab. Eine eigene studie, die nur die bedeutung und veraenderung dieses begriffes enthaelt, koennte wahrscheinlich sehr viel einsicht in den zeitgeist der jeweiligen epoche geben. Wie es zb. auch kaum verwunderlich ist das im „Brockhaus Lexikon“(1905), „vision“ nur in verbindung mit „Gesichtshallucination“ gebracht wird (also mit einer negative bedeutung versehen wird), wahrscheinlich da herrschenden „visionen“ anderer, so gut wie nie zutraeglich waren. 1905 ist aber auch eine zeit, wo zb. ein edgard var�se, gerade 20 jahre alt war und in den folgenden jahren mit ferrucio busoni“s „Entwurf einer neuen Aesthetik der Tonkunst“ konfrontiert wurde…

Ist erfindergeist, fortschritt und vision untrennbar miteinander verbunden, mystifizierung, schwachsinn ? Wohl jeder prophet war ein visionaer, sind visionaere daher propheten oder gar die neuen heiligen? zb webern ?

Wann billigen wir jemanden das „praedikat“ visionaer zu, was muss er uns beweisen?

Vielleicht ist es noch nicht passiert, noch nicht absehbar und wir machen uns lustig, vielleicht zurecht ?

Einer vision kann wohl beides innewohnen wahnsinn oder wahrheit, oft auch im fliesenden uebergang, kann daher eine verneinung/verweigerung der realitaet nicht von beiden seiten („visionaer“ – „verneiner“) moeglich sein und daher ein begriff sein, der nur empfunden werden kann (da „jeder der sehen will kann sie ja auch sehen!“). Jedem „visions-versuch“ muss ein extremes studium des „jetzt“ vorrausgehen und oft ist die „wirkliche-realitaet“ jene erkenntnis, die nicht ertraeglich ist und in den wahnsinn fuehren kann („oder zur erleuchtung!“).

So mag es nicht verwunderlich sein, dass jeden „anerkannten visionaer“ eine ganz besondere gestalt gegeben wird und noch unglaublich viele andere „wahre visionen“ hinzugefuegt werden. So wie sie oft auch erst als visionaere bezeichnet werden, wenn sie „gesellschaftlich“ vertretbar sind und ihre vision „ausgebeutet“ werden kann…

Sei“s wie“s sei, woran mann nicht vorbeikommt ist die individuelle geschichte, die jeder vision anhaftet, die sie so faszinierend macht. Die vision ist wie das geheimnis, das immer ein phaenomen bleiben wird.

 

* im anhang: ein zitat aus ferruccio busoni’s „Entwurf einer neuen Aesthetik der Tonkunst“ (verfasst zwischen 1906-1916), welches als beispiel dienen soll (s. 74).

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